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„Meisterwerke der Zimmererkunst – Historische Dachstühle in Halle"


Vortrag von Dr. Thomas Eißing am 21.11.13 im Melanchthonianum.


Es gibt in Deutschland viele Städte, die in ihrem Kern vier und mehr Kirchen wie z. B. Halle aufweisen. Es gibt aber nur noch sehr wenige, deren historische Kirchendächer noch weitgehend erhalten sind. Und zu diesen zählt unsere Stadt. Dies war Dr. Eißing von der Universität Bamberg Anlass, sich näher mit den vier Hauptkirchen unserer Stadt zu befassen.

Schwerpunkt seiner Untersuchungen waren die Konstruktion der Dachstühle und die Dendrochronologie, d. h. die Altersbestimmung des Bauholzes an Hand der Jahresringe. Die dazu getroffenen Aussagen beruhen auf der Untersuchung v on annähernd 1000 Proben. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Tannenholz, das erst ab etwa 1600 durch die Fichte verdrängt wurde, die sich aufgrund ihrer besseren Anpassung an die klimatischen Bedingungen während der sogenannten Kleinen Eiszeit vom 16. bis zum 19. Jahrhundert durchsetzen konnte.

Die Hallendachwerke der Hallenser Stadtkirchen folgen dem Konstruktionsprinzip des aufgeständerten Kehlbalkendachs, dass in Norddeutschland seine häufigste Verbreitung fand. Halle bildet die südliche Verbreitungsgrenze für diese Konstruktionsform, während in Thüringen Mischformen des Stuhl- bzw. geschossorientierten Holzdachstuhls vorherrschen, der für die süddeutschen Hallenkirchendächer typisch ist.

Über das älteste Kirchendach in Halle verfügt die Ulrichskirche, der turmlose Bau eines Bettelordens. Der Dachstuhl wird von 32 Gespärren (Sparrenpaare) gebildet. Das verwendete Bauholz wurde in den Jahren 1456–57 geschlagen, das Chordach mit im Winter 1670/71 eingeschlagenen Hölzern erneuert.

Der westliche Dachstuhlabschnitt der Moritzkirche, die das zweitälteste und größte Kirchendach (90 Gespärre) besitzt, ist nach 1505 errichtet. Es kam überwiegend Tannenholz zum Einsatz, das über die Saale geflößt wurde. Ausbesserungen erfolgten mit Fichten- und Kiefernholz.

Chronologisch folgt das Dach der Dominikanerkirche, des späteren Domes (dendrochronologisch datiert auf 1518–22). Der Dachstuhl besteht aus 58 Gespärren. Die Balken sind bis zu 20 m lang. Dies sind die längsten in Halle nachgewiesenen Bauholzabmessungen. Der Antransport muss sehr aufwändig gewesen sein, da auf kleinen Wasserläufen ein Flößen derartig dimensionierter Stämme nicht immer möglich war. Der Dachstuhl steht in enger konstruktiver Verbindung mit dem charakteristischen Giebelkranz des Domes, der zur gleichen Zeit entstand und eine der frühesten Schöpfungen der mitteldeutschen Renaissancearchitektur ist.

Der vierte in seiner ursprünglichen Form erhaltene Dachstuhl ist der der Marktkirche. Beim östlichen Dachabschnitt wurde Holz der Einschlagsjahre 1527–29 verwendet, der Dachstuhl selbst laut Archivunterlagen 1533 errichtet. Über den westlichen Jochen ist jedoch das Dachwerk der St. Gertrudenkirche erhalten. Die Bäume für das Bauholz wurden in den Jahren 1473-76 gefällt. 1541/42 ist der Dachstuhl im Zuge der Fertigstellung der östlichen Joche mit Ankerbalken verstärkt worden.

In der abschließenden Diskussion wurde u. a. die Frage nach der Trocknung des Bauholzes vor der Verwendung gestellt. Mit Ausnahme der Holznägel ist in dieser Zeit ausschließlich Frischholz verbaut worden. Erst mit dem Einbau von Zentralheizungen im 19./20. Jahrhundert wurde die Verwendung getrockneten Bauholzes üblich.

Dr. Eißings Vortrag war durch viele Fotos und zahlreiche schematische Darstellungen sehr verständlich gehalten und von großem Interesse für alle Denkmalfreunde.


J. Becker



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