Halle, Heide-Süd – von der Militärkaserne zum Wissenschaftszentrum und zur Wohnstadt
Betrachtungen eines Denkmalpflegers
Vortrag am Tag des offenen Denkmals am 11. September 2011
(Abb.18) Wir haben uns hier in einem Stadtviertel und in Gebäuden versammelt, die einmal 56 Jahre lang für die Öffentlichkeit
völlig unzugänglich waren. Es gab aber auch sicher wenig Verlangen, sich ein Bild von dem Leben hinter den eintönig gestrichenen Mauern zu machen. Und dabei waren es doch Menschen, die dort lebten.
Dieses hatten wir zumeist ausgeblendet.
Wir konnten uns das Ende dieser Situation nur schwer vorstellen und dann ist die Veränderung ohne jede Komplikation eingetreten. In der Veröffentlichung des Fachbereiches Stadtentwicklung und Planung der Stadt Halle zum Stadtteil Heide-Süd
liest man einer Pressemitteilung gleich: „Am 12.7.1991 verließen die letzten Offiziere und Soldaten der sowjetischen Armee nach einem Appell die Garnison Heide und damit die Stadt Halle.“ Ich kann mich an kein Freudenfest erinnern. Somit
jährte sich vor zwei Monaten, beinahe auf den Tag genau, dieses freudige Ereignis zum 20.Mal. Das gibt dem heutigen Tag des offenen Denkmals einen zusätzlichen Akzent und die verpflichtende Berechtigung noch einmal dankbar zurückzuschauen.
Stadtteil Heide-Süd
Wenn ich häufig mit dem Fahrrad durch Heide-Süd fahre, denke ich an prophetische Worte. Hier sind sie in Erfüllung gegangen. Das erste, das ich heute am Sonntag gerne zitiere, steht im Alten Testament im 4. Kapitel des Buches des Propheten
Micha:
Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln
machen. Es wird kein Volk wider das andere ein Schwert erheben und
werden nicht mehr kriegen lernen.
Quelle: Altes Testament im 4. Kapitel des Buches des Propheten Micha.
Wissenschaftszentrum und neu Wohnviertel sind enstanden
Auf unsere Situation hier bezogen, ergänze ich: aus Kasernen und Waffenlagern sind Lehr- und Forschungseinrichtungen und Wohnungen geworden, aus Exerzierplätzen Grünanlagen und Kinderspielplätze. Das zweite Wort von einem bedeutenden Politiker
des 20.Jahrhunderts ausgesprochen hat sich hier ebenso erfüllt: „ Im Osten unserer vereinten Nation werden blühende Landschaften entstehen“. Als Denkmalpfleger begegne ich überall in Sachsen-Anhalt den Bestätigungen für diesen hoffnungsvollen
und damals auch als Mut machend verstandenen Ausblick. Der Tag des offenen Denkmals ist eine gute Gelegenheit, eine solche blühende Landschaft, der trotz aller Veränderungen immer noch in Teilen der Denkmalcharakter anhaftet, öffentlich
zugänglich zu machen. Wir verbinden dieses Angebot mit der Hoffnung, bei den Hallensern auch Stolz aufkommen zu lassen.
Hinter diesem Gebiet, das heute in Gänze zur Stadt Halle gehört, liegt eine wechselvolle Geschichte. Zu Beginn
des 19.Jahrhunderts war es zwischen dem Südrand der Heide und der westlich an der Stadt mehrarmig vorbeifließenden Saale eine von Landwirtschaft und einigen
Irrenanstalt Nierleben
Weinbergengeprägte friedliche Landschaft. Auf dem damals noch zum Dorf Nietleben gehörenden Schiff´schen Weinberg wurde 1841 die Königliche Provinzial- Irrenanstalt gebaut und später mehrfach erweitert. Auf ein Achsenkreuz ausgerichtet, bildeten
unterschiedliche, im Wechsel zwei- und dreigeschossige Gebäude ein Geviert, dessen Mittelfläche z.T. auch regelmäßig bebaut war. Zur Anstalt gehörte die 1864 in der Ost-West-Achse westlich des Gebäudegevierts errichtete Kirche. Der Begründer
der Anstalt war Dr. Heinrich Damerow,der sich für die Psychiatrie große Verdienste erworben hat ebenso mit der Einführung der Arbeitstherapie, um für die psychisch Kranken anstelle ihrer Unterbringung in Zuchthäusern humanere Bedingungen
zu erreichen. Am Chor der Kirche erinnert eine Gedenktafel an ihn.
Irrenanstalt Nietleben
Die hohe Aufenthaltsqualität dieser Landschaft vor den Toren der Stadt veranlasste Oberbürgermeister Rive am Anfang des 20.Jahrhundetts, den Lettiner Weg, die heutige Heideallee, zu einer promenadenartigen Straße zwischen Heide und Saale mit vier Baumreihen aus Platanen auszubauen. Sie sind bis heute erhalten und begründen den Namen „Heideallee“. 1924 entstand westlich dieser Straße die Wohnsiedlung „Heidehäuser“. Mit ihrer angenehmen Gestaltung hat die Siedlung bis heute einen hohen Wohn- und Erlebniswert. Die Siedlung in der Art einer Gartenstadt beweist die damalige Absicht, der Stadterweiterung in Richtung Heide, nach dem Bau der Heideallee, weiter eine friedliche Ausstrahlung zu geben. Die Anlage des ebenfalls 1924 eingerichtetenVerkehrslande- und Sportflugplatzes Halle-Nietleben hat dann 1934 sicher dazu beigetragen, dass diese gute Absicht mit dem Bau einer neuen Heeres- und Luftnachrichtenschule durchkreuzt wurde. Man überplante ein ausgedehntes Gelände. Die Landesheil- und Pflegeanstalt mit eingebunden, musste dann folgerichtig 1935 ihren Betrieb einstellen. Der Bau dieses Vorhabens muss den Oberbürgermeister sehr geschmerzt haben. Er schreibt darüber in seinen „Lebenserinnerungen“: „das einst geplante schöne Halle wird auf diesem landschaftlich bevorzugten Gelände nicht mehr entstehen können. Die Nachzeit hat anders gedacht als jene Generation, welche sich dort die künftige Gartenstadt vorstellte. Gewaltige Kasernen haben
Gelände für die Herres- und Luftnachrichtenschule
die weiten Fluren auf der Westseite der Straße Heideallee in eine Soldatenstadt umgewandelt und Halles städtebauliche Entwicklung hier für immer unterbunden.“ Mit seiner Gegenwehr hatte er bei den Verhandlungen keine Chance, wie aus einer
kurzen Bemerkung darüber in einer Veröffentlichung über den Architekten Sagebiel zu lesen ist: „Durch geschicktes Verhandeln unter Zuhilfenahme von Drohungen und leeren Versprechungen gelang es den Unterhändlern, die Stadt Halle nicht
nur zur weitgehend unentgeltlichten Hergabe des Geländes zu zwingen, sondern ihr auch die Einebnung anzulasten und den früheren Flugplatz Nietleben schrittweise zu annektieren.“ Es wurde gebaut, die Schulgebäude und das Kasino dicht an
der Einfahrt von der Heideallee. Dahinter sind die Mannschaftsunterkünfte angeordnet und entlang der Ringstraße um eine leichte Erhebung mehrere Höfe jeweils in einem Gebäudegeviert mit Fahrzeuggaragen und ebenfalls Unterkünften. Vier
Versorgungsbauten sind im Gelände verteilt. Dieser klare Entwurf wird nach neuesten Forschungen nicht Sagebiel zugeschrieben. Er dürfte die Bauleitung gehabt und dabei Ausführungsplanungen erstellt haben.
Früher Apellplatz - und nun Parklatz
1945 endete die braune Zeit, die 1.000 Jahre Bestand haben sollte, und damit hatten nach nur zehnjährige Nutzung die Kasernen der Reichsluftwaffe ausgedient, aber nur für kurze Zeit. Am 14. und 15 April 1945 besetzten amerikanische Truppen
die militärischen Anlagen und verließen sie vom 1.-3. Juni schon wieder. Anschließend ab 1. Juli zog die Rote Armee für viele Jahrzehnte in die Kasernen. Während ihres Aufenthaltes dort wurde das Gelände erheblich nach Süden erweitert
und mit zumeist eingeschossigen Garagen und Werkstätten und einigen Wohnblocks der hiesigen Großplattenproduktion sehr voll gestellt. 1991 war die Zeit der militärischen Besetzung endlich beendet und ein neues Kapitel konnte aufgeschlagen
werden. Rives „für immer unterbunden“ gehörte damit der Vergangenheit an. Er hätte heute sicher viel Freude daran, mit uns durch die von ihm erhoffte Gartenstadt zu spazieren. Dabei könnten wir dem langjährigen Oberbürgermeister viel vom
Weg bis zum Ziel berichten.
Nach dem Abzug der letzten Soldaten blieben die Tore noch einige Jahre verschlossen. Im Hintergrund aber, für uns unsichtbar, wurden Vorstellungen für die Zukunft dieses
Ohne Militär in die Zukunft
ausgedehnten und stark belasteten Areals entwickelt. Das Ergebnis war eine mutige Entscheidung der Stadt, vom Bund das gesamte Gelände, außer dem Landesanteil für die Universität, zu erwerben und darauf ein Wohngebiet zu entwickeln. Mit dieser großen Aufgabe wurden viele Institutionen befasst. Dazu gehörte auch das 1991 wieder gegründete Landesamt für Denkmalpflege Sachsen-Anhalt, denn wir konnten davon ausgehen, dass es sich hier um Geschichtszeugnisse besonderer Art handelte. Nachdem das Amt 1993 für die damals noch so genannte General-Maerker-Kaserne eine Denkmalbewertung und denkmalpflegerische Rahmenzielstellung erarbeitet hatte, legte es Mitte 1994 Stellungnahmen zum Denkmalwert der Landesheilanstalt und der gesamten Kaserne vor. Die kartierten Denkmale entsprachen weitgehend den bauzeitlichen Gebäuden und Raumstrukturen. Unser besonderes Interesse
Das Kartierte Denkmal
richtete sich damals zunächst vor allem auf die an der Heideallee stehenden ehemaligen Schulkasernen und das Kasino. Ihren Wert wollten wir öffentlich bekannt machen und hatten 1994 den Mut – ich kann es von heute gesehen, nur so bezeichnen - , an einem der ersten Tage des offenen Denkmals die beiden Dreiflügelanlagen und das Kasinogebäude öffnen zu lassen. Die Gespräche mit dem Bundesvermögensamt und dem Staatshochbauamt verliefen positiv. Die Absprachen bezogen sich allein auf den mit einem Einsteckzaun abgegrenzten Bereich der Gebäude an der Heideallee eingeschlossen das Kasino. Was dann passierte, hatten wir uns nicht vorgestellt. Der mit Autos aus der umliegenden Region vollgestellte Aufmarschplatz bewies das große Interesse, getrieben von der Erwartung, endlich das Geheimnis hinter der Mauer lüften zu können. Es gab für die Aufsicht Führenden kein Halten der Besucher. An vielen Stellen waren die Zaunfelder
Ehemalige Fahrzeughalle
schnell ausgehoben und die Menschen durchstreiften das ausgedehnte Gelände. Wie immer an den Tagen des offenen Denkmals verliefen die Besichtigungen sehr diszipliniert. Es war glücklicher Weise kein Schaden zu beklagen, der für den Initiator
und Organisator schwerwiegende Folgen hätte haben können. Nach den vielen positiven Rückmeldungen stellten wir in der Bilanz fest, es war wie ein Befreiungsschlag – endlich hatten sich die so lange verschlossenen Tore geöffnet. Und die
Besucher sprachen auch von einer wichtigen Beobachtung, die ich selber bei Besichtigungen von Kasernen z.B. in Stendal und im Krankenhaus am Mühlweg gemacht hatte: die Häuser waren zwar ungepflegt und runter gewirtschaftet, doch man traf
auf kein Chaos sondern auf weitgehend beräumte Zustände. Dort, wo es anders war, hatte der nachfolgende Vandalismus sein Unwesen getrieben. An dieses Ereignis aus der Zeit des Aufbruchs zu erinnern. ist mir der Tag heute ein willkommener
Anlass.
Von diesem Geist es hoffnungsvollen Neuanfangs war 1995 ebenso ein sogenanntes kooperatives offenes Planungsverfahren mit sechs Stadtplanungs- und Architektengruppen aus den östlichen und westlichen Bundesländern durchdrungen,
in dem ein Masterplan für einen ersten Bauabschnitt Wohnungsbau erarbeitet wurde. Man begegnete sich ganz offen auf Augenhöhe bei gegenseitiger Anerkennung und Achtung. Das Landesamt war als Gutachter einbezogen und damit gefordert, sich
zu dem von uns ausgewiesenen Denkmalbestand zu positionieren. Auf die vielfach noch erhaltenen historischen Gebäude und Stadträume, reagierten trotz des zumeist schlechten Zustandes, nicht nur wir Denkmalpfleger sondern auch die anwesenden
Planer, wie überhaupt viele Beobachter bei uns im Land, mit viel Bewunderung bis hin zu Begeisterung. Eine solche positive Einstellung
Masterplan - Bauabschnitt Wohnungsbau
zum Denkmalbestand spiegelte auch das Ergebnis des Planungsverfahrens für Heide-Süd wider. In dem aus den sechs Vorschlägen ausgewählten Masterplan sahen wir viele, den Ort charakterisierende stadträumliche Strukturen und Gebäude, auf die
in der denkmalpflegerischen Stellungnahme in wenigen Punkten hingewiesen wurde. Dabei waren wir uns durchaus dessen bewusst, dass im Rahmen der weiteren Planung und dann der Realisierung etliche zur Erhaltung vorgeschlagene Gebäude aufgegeben
würden. Wir hätten allerdings die Hintansetzung denkmalpflegerischer Gesichtspunkte bei der Abwägung der Machbarkeiten und die Verluste in diesem Umfang nicht erwartet. Dennoch freue ich mich, wenn ich durch Heide-Süd fahre, durch dieses
Ensemble der Universität, vorbei am Leibnitz-Institut, dem ehemaligen Kasino, durch die erhaltene Russenmauer und dann entlang der Schrader- und Gneisenaustraaße, wenn ich im Heidehof anhalte und die
Aus alten Soldatenunterkünfte
sind schöne Wohnungen entstanden
Einrichtung von Wohnungen in der früheren Fahrzeuggarage bewundere, oder an dem Hermann-Lamasch-Platz, dem Bertha-von-Suttner-Platz, am Helene-Stöcker-Platz sanierte Gebäude und städtebauliche Räume wieder erkenne, wie es in der denkmalpflegerischen
Stellungnahme zu lesen war. An diesen Orten kann immer noch Erinnerung an Gewesenes geweckt werden, wenn manches architektonisch auch qualitätvoller hätte gelöst werden können. Ich verschließe die Augen aber auch nicht vor den Defiziten.
Als Denkmalpfleger, der am Anfang an dieser Erfolgsgeschichte teilnehmen konnte, halte ich es heute, am Tag des offenen Denkmals, für berechtigt, einige der mir selbst kommenden und auch an mich herangetragenen Fragen zu stellen.
Mit der Sanierung der Gebäude des Heidehofes für Wohnnutzung ist die Erhaltung eines dieser Höfe gelungen. Auch am anderen Endpunkt der Ringstraße, am Berta-von-Suttner- Platz gibt es noch Teile eines solchen Hofes. Hier wurden zwar die
drei Mannschaftsbauten erhalten, jedoch der Garagenbau ersatzlos abgebrochen. Ein Neubau vergleichbarer Gebäudestruktur
Aus alten Panzerhalle
sind schöne Wohnungen entstanden
hätte den Hof wieder schließen können. Heute stehen im früheren Hof Siedlungshäuser, die auf historische Gegebenheiten leider keine Rücksicht nehmen. Der Masterplan sah für die übrigen abgebrochenen Höfe ähnliche Raumstrukturen vor, die der
Ringstraße mehr Großzügigkeit verliehen hätten. Statt dessen wurde und wird das Gelände für den Bau von Einfamilienhäusern zerstückelt, ohne dass selbst der Der Bertha-von-Suttner-Platz hätte zusätzlich zu diesem Hof sein historisches
Bild bewahren können, wenn einer der vier Wirtschaftsbauten, der hier stand z.B. als Ladeneinrichtung erhalten geblieben wäre. Die empfindliche Lücke hier kann hoffentlich mit einer überzeugenden Architektur doch noch wieder geschlossen
werden.
Wenn ich die Ringstraße entlang fahre, erinnere ich mich mit Bedauern an die verhältnismäßig gut erhaltene Pflasterung. Ich beginne dann zu singen, wo bist Du geblieben und welche Straße oder Platz zierst Du wohl heute? Mir fehlen
die Informationen,
Aus alten Panzerhallen
sind schöne Wohnungen entstanden
weshalb eine durchgehende Asphaltstraße umgesetzt wurde. Wenn man auch meinte, nicht alles Pflaster erhalten zu können, hätten kleine, mit dem alten Material gepflasterte
sind schöne Wohnungen entstanden
Abschnitte z.B. bei den genannten Plätzen die Erinnerung lebendig gehalten und dazu die eintönige Monotonie unterbrochen. Hier wurde leider auf die Stadtgestaltung wenig Sorgfalt verwendet. Die Erinner-
ungen an die verlorene Landesheilanstalt
hinterlassen den größten Schmerz. Nach meiner Beobachtung dürfte es hier an einer ganz wichtigen Voraussetzung für die Erhaltung historischer Bausubstanz gefehlt haben, wie wir es leider auch an anderen Stellen der Stadt beobachten können,
nämlich an dem guten Willen, eine denkmalpflegerische Lösung umzusetzen, die einige der alten Gebäude mit neuen in gelungener Weise verbunden hätten. Vorschläge dazu standen sogar auf dem Tisch.
Dieses Nebeneinander von Altem und
Neuem ist für die Denkmalpflege neben der Erhaltung eines Baudenkmals oder historischen Ensembles ein nicht minder wichtiges Anliegen. Die Erfahrungen zeigen, wie sich Altes und Neues in ihrer Wirkung gegenseitig steigern können.
Aus alten Panzerhallen
sind schöne Wohnungen entstanden
Leider ist dieses an der bisher offenen Seite des früheren Aufmarschplatzes nicht gelungen. So sind an dieser Stelle die beiden neuen Bauten, das Hörsaalgebäude und das für die Mensa weder in ihrer Architektur noch mit Ihrer Schrägstellung
ohne Beziehung zu den qualitätvollen Altbauten verständlich. Vielleicht hat sich der Architekt ja etwas dabei gedacht. Ob wohl auch beim Abknicken des Weges von der sehr eindeutig angelegten Mittelachse? Diese, der ursprünglichen gestalterischen
Idee widersprechende Lösung, wäre durch einen kleinen Eingriff noch zu verbessern.
Für ein anderes, ganz junges, städtebauliches Ärgernis halte ich den dunkelroten Dreigeschosser in der Gneisenaustraße. Weshalb und wie wird so etwas
zugelassen? Oder handelt es sich hier um eine stadtplanerische Absicht wie auch bei ähnlichen Bauten im Entstehen an der Einmündung der Gneisenaustraße in den Helene-Stöcker-Platz? Schade, dass hier Gelungenes in dieser Weise negativ beeinträchtigt
wird.
Genug der kritischen Fragen, die die Freude über die blühende Landschaft nicht beseitigen können und die in die Hoffnung einmünden, dass die gestaltende Hand eines Städtebauers, der ausgestattet ist neben dem Fachverstand auch
mit der notwendigen Kompetenz, die weiteren Vorhaben in Heide-Süd begleitet.
Meine kurzgefassten summarischen Betrachtungen über diesen heute so friedlichen Ort beschließe ich mit einer Vision. Die drei sehr schön gestalteten Backsteinbauten,
die zur Heilanstalt gehörten, bekommen nun endlich eine Überlebenschance. Diese wünsche ich auch der Kirche, die als eines der letzten unsanierten historischen Gebäude nach dem
Totalabbruch der Heilanstalt verlassen und verloren auf dem höchsten Punkt des Stadtteils Heide-Süd steht. Ich habe die Vision, dass aus der Kirche ein Ort wird, der für vieles offen ist, der ein Ort der Begegnung für die vielen Menschen, die hier wohnen
und arbeiten, sein kann, ein Ort der Erinnerung an die Menschen, die unter Zwang hier leben mussten auch an die, die hier umgekommen sind. Ich kann mir die Kirche als einen Ort der Ruhe vorstellen, in den jeder gehen kann, der der Welt
überdrüssig geworden ist. Ich sehe eine Gruppe von gutwilligen Menschen vor mir, sinnvolle Konzepte entwickeln und bereit, diese mit guten Ideen auch umzusetzen. Vielleicht ist ein so gutwilliger Mensch ja schon hier unter uns.
Gotthard Voß
Landeskonservator i.R.
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